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Burn
Out - Der verschleierte Weg zur Erschöpfung
Autor
und Copyright: Abdruck und Verwendung. Auch auszugsweise,
nur mit vorheriger Genehmigung von Dr. med. Peter
Traxler
Alle Rechte vorbehalten
Wien, im Juni 2000
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Unser
Organismus kann als komplexes System vernetzter Regelkreise
verstanden werden. Aus dieser (kybernetischen) Sicht gesehen
hat jeder Regelkreis die Aufgabe, ein (homöostatisches)
Fließgleichgewicht zwischen Zufuhr und Verbrauch bzw.
Abgabe aufrecht zu erhalten (z.B. die Körpertemperatur).
Die Regelkreise sind untereinander rückgekoppelt, um
auf Störungen im System (Mensch in seiner Umwelt) reagieren
zu können.
Im Idealzustand "Gesundheit" stehen (katabole)
Belastung und (anabole) Erholung in einem ausgewogenem Verhältnis,
wobei Veränderung (=Stress) als Selektionsdruck wirkt.
Eu
- und Distress
oder die Frage nach der Notwendigkeit von Stress
Der
Mensch ist in seiner Gesamtheit von der Umwelt abgrenzbar
("Hautkleid"), aber schon das optische (Sehen)
oder akustische System (Hören) ragen weit in seine
Umgebung hinein, Riech - und Tastsinn bilden den näheren
sensorischen Umkreis.
Auf der mentalen Ebene verfügen wir mittels erlernter
Erfahrungsmuster gleichsam über ein Frühwarnsystem
selektiver Wahrnehmung. Folglich können wir uns als
"wacher Organismus" selbst im Schlaf begreifen.
Treffen
Veränderungen der Umwelt auf den Organismus ein, werden
Mechanismen in Gang gesetzt, um die verursachenden Stressoren
abzupuffern, abzuschwächen oder ihnen auszuweichen.
Solange
die Belastung auf unseren Organismus relativ kontrolliert
bleibt, d.h. die Unordnung im System gering ist, erfolgt
über Bahnung (zum Beispiel Lernmuster, Reflexe, adaptierte
Muskulatur) eine schrittweise Effizienzsteigerung der gegenläufigen
Mechanismen, die betreffenden Störimpulse werden durch
Routine und Spezialisierung unwirksam gemacht. Stress wird
hierbei als bewältigbar erlebt und trainiert das Individuum
auf einem niederen Level, um eventuell eintretende Notfallsituationen
möglichs zu überleben.
Treffen
diese ein, und das muß nicht unbedingt der Flugzeugabsturz
oder Herzinfarkt sein, sondern alle Reize, die die normale
Reaktionsbereitschaft überfordern und mit bisherigen
Strategien nicht mehr bewältigbar sind und somit zu
einer tiefgreifenden Störung der inneren Ordnung des
Organismus führen, werden verschiedene Abwehrstrategien
versucht, die entweder nichtr greifen oder nur für
eine gewisse Zeit aufrecht erhalten werden können.
Im
Extremfall erliegt der Mensch der völligen Erschöpfung,
wobei Denkmuster und Strategien auf molekularbiologischer
und chemischer Ebene allmählich aufgelöst werden
und damit den Weg für neue Lösungsmöglichkeiten
frei machen. Angst und Stress werden bewältigbar. Durch
die Möglichkeit des strukturellen Aus -und Umbaus von
neuronalen und synaptischen Verschaltungen bleibt das menschliche
Gehirn bis ins hohe Alter hinein formbar (plastisch) und
lernfähig.
Stress
ist also das Leben selbst.
Über
Stress entstanden immer lernfähigere Organismen und
folglich immer anpassungsfähigere Verhaltensweisen.
Stress begünstigt die fortschreitende Optimierung genetischer
Programme. Gelingt es Individuen nicht, komplexe und flexible
Veränderungen aufzubauen, kann das zu stressbedingter
Unfruchtbarkeit, Erkrankungen und schließlich dem
Aussterben einer Gattung führen.
Die
ursprünglich biologisch funktionale Reaktion auf Stress
führt bei Chronifizierung in ein Erschöpfungssyndrom,
das Freudenberger und North 1992 als "Burn-out Zyklus"
beschrieben haben. In Anlehnung daran unterteilen wir in
ein zwölf Stadien hintereinanderlaufendes Reaktionsmuster:
Der
Körper als Regelsystem psycho - neuro - immunoliogischer
Informationsverarbeitung und -bewältigung reagiert
bei chronischer ,
unbewältigbarer Dysregulation auf mehreren Ebenen:
·
Die physiologische Ebene
z.B. Erhöhung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin
und insbesondere Cortisol
·
Die psychologische Ebene
z.B. Angst, Verstimmtheit, Depression
·
Die kognitive Ebene
z.B.: grüblerische Selbstversunkenheit, Einschränkung
der geistigen Beweglichkeit, emotionale Öde und
Erstarrung
·
Die soziale Ebene
Gespanntheit, Gereiztheit, Rückzug
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DAS
BURN OUT RAD
Stadium 1
Gerade
hochmotivierte und leistungsorientierte Menschen geraten
oftmals unbewusst in die erste Speiche des "Rades".
Dem Tatendrang sind keine Grenzen gesetzt, Wissen wird angehäuft,
die neuesten Kommunikationsmittel werden genützt, der
Austausch mit der Umwelt erfolgt mehrdimensional und ungebremst.
Termine
überschlagen sich, werden aber pflichtbewusst eingehalten.
Die soziale Umwelt bewundert den Leistungseinsatz, man befindet
sich auf der "Straße der Sieger".
Stadium
2
Rückschläge
sind undenkbar, alle Ressourcen werden weiterhin zur Mehrung
von Wissen, Einfluß, Macht , Geld, sozialer Anerkennung,
sexueller Attraktivität etc. eingesetzt.
Handlungen
und Entscheidungen werden nicht mehr delegiert, die soziale
Umwelt wird als zu langsam und träge empfunden. Bekräftigung
des eigenen Tuns nur mehr durch Gleichgesinnte mit ähnlichen
Leistungsvorstellungen, Selbst - und Fremdansprüchen
sowie Werten.
Stadium 3
Muße
und Erholung werden als Zeitverschwendung angesehen.
Die Wissensmehrung läuft zielgerichtet und hochspezialisiert.
Die Umwelt hat sich an das Tempo gewöhnt und lässt
fordernd keine Verschnaufpausen zu. Die Funktionalisierung
der sozialen Stellung des Tuns und Handelns tritt in den
Vordergrund.
Noch
lässt sich alles organisieren, Kaffee und Nikotin konsum
als Putschmittel mehren sich, die Vorzeichen von Schlafstörungen
werden zu wenig beachtet.
Noch
fühlt man sich wohl und den anderen überlegen,
oftmalige Erfolge verstärken diese Selbsteinschätzung.
Für
persönliche Interessen und Entspannungsmöglichkeiten,
wie Sport, Musik, Kultur und Reisetätigkeit fehlt bereits
die Zeit. Elegische Gefühle kommen zu kurz.
Stadium
4
Die
ersten Fehlleistungen wie Unpünktlichkeit und Verwechslung
treten auf. Erste Empfindungen von Überforderung und
Hektik werden spürbar. Konflikte werden als solche
nicht erkannt und daher nicht entschärft.
Gereiztes
Unfreundlichsein selbst gegenüber wohlmeinender Umgebung.
Stadium
5
Was
vormals wichtig und erstrebenswert war, wird schubladiert.
Prioritäten verschieben sich zugunsten neuer Schwerpunkte,
Lebensereignisse werden nicht mehr hinterfragt oder gedeutet.
Beziehungen laufen weiter oder eben nicht mehr.
Die
Emotionalität stumpft ab, um noch funktionsfähig
zu bleiben. Putsch -und Schlafmittelabusus als künstliche
Steuerung von Wach - und Schlafrhythmus treten vermehrt
auf.
Stadium
6
Ungeduld,
Intoleranz, Zynismus oder aggressive Abwertung - die Umwelt
verliert alle Lieblichkeit, wird als fordernd, bedrohlich,
bestrafend empfunden.
Man
funktioniert dank Routine, Erfahrung und Einfluß;
aber bereits viel schlechter, als man könnte.
Körperlich
- somatische Beschwerden treten auf, die Unzufriedenheit
nimmt zu, Ratslosigkeit greift um sich.
Stadium
7
Einengung
und Automatisierung der menschlichen Existenz, Ersatzbefriedigungen
kurzer Dauer treten in den normalen Alltag, man verlässt
das soziale Netz, das zwar noch bemüht, aber bereits
verstört ist. Der Rückzug wird angetreten.
Stadium
8
Erste
Verhaltensveränderungen werden auch von der Umwelt
wahrgenommen. Hinweise werden missachtet, paranoide Reaktionen
sind möglich.
Stadium
9
Identitätsstörungen
und Wahrnehmungsveränderungen werden angstbesetzt registriert.
Die Normalität entlässt sich aus der Kontrolle.
Stadium
10
Innere
Leere als Vorbote der Depression. Panikattacken und phobische
Zustände häufen sich. Ersatzbefriedigungen werden,
falls noch möglich, exzessiv wahrgenommen.
Stadium
11: Depression
Laut
WHO wird bis zum Jahr 2020 die Depression das zweitgrößte
Gesundheitsproblem der Welt darstellen. Bereits jetzt klagen
17% der Allgemeinbevölkerung Mitteleuropas über
die typischen Symptome einer Depression (aufgetreten während
der letzten 6 Monate).
Dabei
ist der Anteil der Frauen fast doppelt so hoch wie jener
der Männer.
Nur
etwa ein Drittel der Patienten finden den Weg zum Arzt,
wobei die Allgemeinpraxis meist die erste Anlaufstelle darstellt.
Depression
ist keine "nur psychische" Erkrankung!
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Die
oftmals hinter körperlichen Symptomen versteckte Erkrankung
(Kopfschmerzen, Brustschmerzen, Beschwerden der Gastrintestinaltraktes
und der Extremitätenbereiche, Schlafstörungen,
Müdigkeit, Gereiztheit, Ängste, etc.) wird leicht
mißinterpretiert und nur zu etwa 55% diagnostiziert
und adäquat behandelt.
Schleppender Gang, ausdrucksloses Gesicht, die flache Atmung,
eine stockende, monotone, wortkarge Sprache, abgefallener
Haut- und Muskeltonus weisen auf den Menschen mit depressiver
Leiblichkeit, "le corps deprimè".
Mindestens
zwei dieser Symptome müssen über die Dauer von
2 Wochen vorhanden sein.
Zwecks
Diagnoseerleichterung wurden drei Hauptsymptome definiert
(lt. Diagnosecodebuch ICD-10):
·
Depressive Verstimmung über die meiste Zeit des
Tages, und dies fast jeden Tag
· Interessen- und Freudverlust an Aktivitäten,
die normalerweise angenehm waren
· Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit
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Wenn
diese genannten Kriterien vorliegen, spricht man von einer
typischen depressiven Episode. Sie ist der gemeinsame biologiosch-chemische
Endpunkt und kann durch verschiedenste Auslöser wie
Lebensumstände, Persönlichkeitsmerkmale, Zeiteinflüsse,
Ressourcendefizite etc. erreicht werden.
Ebenso
müssen gleichzeitig mindestens 2-4 der folgenden
Zusatzsymptome vorliegen:
·
Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls
· Unbegründete Selbstvorwürfe oder
ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
· Wiederkehrende Gedanken an den Tod oder Suizid
· Klagen über Nachweis eines verminderten
Konzentrationsvermögens, Unschlüssigkeit
oder Unentschlossenheit
· Schlafstörungen jeder Art
· Appetitverlust oder gesteigerter Appetit
mit entsprechender Gewichtsveränderung
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Ein
besonders großes Problem stellt die schwierige "Erreichbarkeit"
des Patienten dar. Ratschläge wie "reiß
Dich zusammen" , "es wird schon werden" ,
"anderen geht es auch schlecht" , erkennen nicht
die Tragödie des deprimierten Empfindens und sind kontraproduktiv.
Wie
hinter einer Glaswand vegetiert der depressive Mensch dahin,
der Zugang zum Leben ist ihm abhanden gekommen. Alle sensorischen
Qualitäten sind eingeschränkt. Die Farben wirken
nicht mehr so kräftig, Musik klingt mechanisch, das
Essen schmeckt fahl. Assoziative Gedankenfluten, Libido
und Erotik, Kreativität und Tatendrang versiegen allmählich.
Die Frustration der Erinnerung an Zeiten in Gesundheit schmerzt
unerträglich wobei eine Wiedererlangung der Gesundheit
als unmöglich erachtet wird.
Es
bleibt die gehäutete "Schale Mensch" wie
eine Puppenlarve übrig, innen leer, hohl, vergänglich.
Nicht
umsonst ist die Selbstmordrate bei der Krankheit Depression
am höchsten, nämlich 15% . Kein "Krebsschicksal"
verzeichnet eine derart hohe Suizidrate. Ein sozial stabiles
Netzwerk ist jetzt das Wichtigste. Wenigstens eine Bezugsperson
darf den Kontakt zum Patienten nicht verlieren!!!
Dableiben,
zuhören, halten, übernehmen, Geduld und eine aufrichtige,
ehrliche Zuversicht sind die Qualitäten der Stunde.
Der
therapeutisch-professionelle Ansatz muß ein multidimensionaler
und polypragmatischer sein! Die wichtigste Botschaft an
den Patienten: Depression ist heilbar! - obwohl eine schwere
Erkrankung. Jeder Selbstmord ist einer zuviel! Durchhalten,
bis die "Nase wieder aus dem Wasser" ist, und:
Geduld, oftmals dauert es 3-6 Monate, bis eine deutliche
Besserung eingetreten ist und 1-2 Jahre bis zur "restitutio
ad integrum", der vollkommenen Heilung.
Biologisch-
chemisch gesehen erklärt sich die Depression heute
als Destabilisierung im Neurotransmittersystem, nämlich
einen Mangel an Serotonin und Noradrenalin, wichtigen Botenstoffen
im Gehirn.
Die
medikamentöse Therapie greift nun hier ein, und moderne
Antidepressiva wirken oft schon nach 3 Wochen -bei wenig
Nebenwirkungen. Es besteht kein Gewöhnungseffekt oder
die Möglichkeit einer Medikamentenabhängigkeit!
Anders ist es bei angstlösenden Medikamentenund Schlafmitteln,
den sogenannten Benzodiazepinen, die nur kurzfristig eingenommen
werden sollten.
Die
Therapiedauer beträgt mindestens 3-6- Monate und wird
erst nach deutlicher Besserung des Befindens vorsichtig
"ausgeschlichen" . Dabei wird die tägliche
Dosis unter ärztlicher Aufsicht allmählich reduziert.
Neben
der medikamentösen Behandlung ist jede Form von Massage
und Bewegung empfehlenswert. Sie helfen, die Freude an einem
"bewegten Dasein" wiederzuerlangen. Lichttherapie
und Pulsierende Feld Therapie sind nützliche Ergänzungen
beim ganzheitlichen Heilungsansatz. Psychotherapeutische
Interventionen können verschüttete Ressourcen
entdecken und neue Strategien lehren.
Das
Erlernen einer angemessenen "Performance" ermöglicht
ein besseres Zugehen auf die Welt und das gestalten von
"Neuen Welten".
Die
depressive Phase bleibt als Trauma in Erinnerung, neue Wertigkeiten,
ein behutsames Umgehen mit jeder zufriedenen, schönen,
gelebten Stunde entsteht.
Stadium
12
Tiefe
Depression und akute Selbstmordgefährdung! Eine psychiatrische
Krisenintervention ist indiziert und oftmals nur mehr stationär
möglich.
Es gilt, ein Leben zu bewahren, ehe die Rückführung
aus der Burn-Out-Spirale beginnen kann.
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